Mit dem ÖJC am Tatort

Mit dem ÖJC am Tatort

Als TV-„Tatort“-Konsumenten haben wir oft völlig unrealistische und falsche Vorstellungen von Verbrechen. Wie wirklich ermittelt wird, konnten rund 20 ÖJC-Mitglieder jeweils am 14.9. und am 12.10.2023 mit einem exklusiven Blick hinter die Kulissen der kriminalpolizeilichen Ermittlungen im Landeskriminalamt (LKA) Wien erfahren. Mit dem ÖJC praktisch am Tatort direkt dabei.


Im 4. Stock des Wohnhauses Berggasse 39, dort, wo man es nicht vermuten würde, finden in einem speziell eingerichteten Untersuchungslabor die Schusswaffenuntersuchungen des LKA-Wien statt. „Wir untersuchen Waffen, aber auch bei Verbrechen verwendete Munition auf Spuren, die einen Hinweis auf den Täter geben könnten“, so Michael Huysza von der Kriminalpolizeilichen Untersuchungsstelle Waffen.

Was gar nicht so einfach ist. „Haben wir die Waffe sicher gestellt, dann geht es darum, sie einer Person zuzuordnen, die vielleicht schon einmal mit dieser Waffe eine Tat begangen hat“, so Huysza. Dazu werden bei Faustfeuerwaffen Schüsse in ein Wasserbecken und bei Langwaffen in eine Wattekiste abgegeben. „Damit die Projektile unversehrt bleiben und sie nach System- und nach Feinspuren untersucht werden können. Im Vergleichsmakroskop können wir mit bis zu 200facher Vergrößerung diese Spuren mit jenen auf den aufgefundenen Projektilen vergleichen bzw. auch sagen, ob sie mit der mutmaßlichen Tatwaffe abgefeuert worden sind. Denn jede Waffe hinterlässt andere Spuren auf den Patronenhülsen.

Anschließend erklärt Matthias Holdosi von der Abteilung Schlösser und Werkzeuge, wie man seine Wohnung, sein Auto oder Fahrrad am Besten sichert. „Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz“, so Holdosi. „Es geht aber immer um den Zeitfaktor. Je schwieriger ein Schloss zu knacken ist und je länger es dauert, desto eher schreckt das einen potentiellen Dieb oder Einbrecher ab.“

Hier erfährt die ÖJC-Gruppe viel über die verschiedensten Schloss-Typen und mit welchen Werkzeugen sie geknackt werden können. Aber auch, wie man sich am Besten schützen kann. „Schlösserkombinationen bei Wohnungen sind immer besser als nur ein Schloss. Und den Zylinder nie vorstehen lassen, sonst kann man ihn leicht abdrehen.“ Besonders perfide war die Auflösung eines Wohnungsschlosses mit Salpetersäure, das zwar 30 Minuten dauert, dafür aber völlig geräuschlos war und den Einbrechern auch in einem Mehrparteienhaus den illegalen Wohnungszutritt verschafft hat.

Florian Loisel vom Assistenzbereich Tatort erklärt dann, wie Phantombilder von mutmaßlichen Tätern angefertigt werden. „In den ersten drei Minuten des Kontaktes zu einem Menschen schauen wir auf die Augen und den Mund. Das sind die Merkmale, die wir uns entwicklungsgenetisch bedingt am Besten einprägen“, erklärt Loisel. Heute wird der Schablonenkoffer, mit dem schwarz-weiß Phantombilder anhand von Vorlagen entstehen, eher seltener eingesetzt. „Seit 1986 haben wir die Computersoftware ‚Facette‘ und sind mittlerweile bei der Version 8.6.9 mit mehr als 4.500 Gesichtskomponenten.“ 

Dann gab es noch einen Blick in den berühmten Tatortkoffer. „Wir haben am LKA Wien eigentlich vier Tatortgruppen, die mit dem Tatortbus unterwegs sind“, so Loisel. „Am Tatort angekommen legen wir die Schutzausrüstung an, legen den Maßstab aus, um die Dimensionen auf den Fotos zu erfassen, markieren die relevanten Gegenstände mit den Spurentafeln, sichern Fingerabdrücke und DNA-Spuren. Das kann von einigen Stunden bis zu einigen Tagen dauern, je nach Ort und Art des Verbrechens.“

Im Laufe der Zeit haben sich die Methoden der Spurensicherung immer mehr verfeinert, sodass auch immer wieder in sogenannten „Cold Cases“, also Fällen, die lange zurück liegen, mittels neuen Untersuchungsmethoden Erfolge erzielt werden können. „DNA-Spuren habe  keine Ablaufzeit, und so können wir auch nach Jahren noch Täter überführen.“ Spannend und aufschlussreich war er, dieser ÖJC-Besuch beim LKA Wien. Und weil so großes Interesse besteht, gibt es am 12.10.2023 eine Wiederholung.

Text: Christian Stöger
Fotos: Gerhard Kladnik


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