Wien neu entdecken 3

Wien neu entdecken 3

Hintergrundinformation zu „Wiens umstrittenen Denkmälern“ erhielten die ÖJC-Mitglieder bei der Führung „Wien neu entdecken“ am 22.7.2023 mit Dr. Barbara Dmytrasz: vom derzeit heftig umstrittenen Lueger-Denkmal am Stubentor bis zum Russendenkmal am Schwarzenbergplatz. 


Für die teilnehmenden ÖJC-Mitglieder gab es viel Neues zu erfahren und zu entdecken, Hintergründe zu beleuchten und historische Zusammenhänge rund um den „ersten Populisten Österreichs“, wie Barbara Dmytrasz den Wiener Bürgermeister Dr. Karl Lueger (1844-1910) bezeichnete.

Lueger ist heute wegen seiner antisemitischen Propaganda umstritten, wenngleich er selbst einmal meinte, „gar keine Weltanschauung und keine eigene Einstellung“ zu haben. Wenn es ihm nämlich zum Vorteil gereichte, pflegte er sogar gute Beziehungen zur jüdischen Hocharistokratie. „Wer ein Jud ist, bestimmt ich!“, ist eine der bekannten Aussage von Karl Lueger. Dennoch gilt er heute als Miterfinder des politischen Antisemitismus und Populismus und hat Hitler in dessen jungen Jahren in Wien maßgeblich beeinflusst.

Der Populist Lueger, Begründer der Christlichsozialen Partei und prägender Bürgermeister Wiens von 1897 bis 1910, ist der einzige Wiener Bürgermeister, der noch zu Lebzeiten ein Denkmal für sich (1907) in Auftrag gab. Eingeweiht wurde es allerdings erst 1926, damals mit großem Spektakel, an dem 300.000 Menschen teilnahmen. Josef Müllner, später als „Nazi-Architekt“ bekannt (er hat u.a. auch den umstrittenen Siegfriedskopf im Arkadenhof der Universität gestaltet) hat das Lueger-Denkmal am Stubentor geschaffen, übrigens nur eines von zahlreichen Wiener Lueger-Denkmälern und Gedenkstätten, auf die auch eine im Oktober 2022 errichtete Holzinstallation am Stubentor hinweist.

Seit 2019 gibt es im Zuge der „Black Lives Matter“-Bewegung weltweit auch immer wieder Protest- und Sprühaktionen gegen umstrittene Denkmäler, darunter eben auch das Wiener Lueger-Denkmal am Stubentor. Nach einem Entwurf des Künstlers Klemens Wihlidal soll Lueger nun um 3,5 Grad geneigt, also in Schieflage gebracht werden.

Umstritten ist aber auch das Russendenkmal am Schwarzenbergplatz. Im Februar 1945 hat die Rote Armee Wien von der Naziherrschaft befreit. Noch während der Kriegshandlungen entstand der Plan für dieses Siegesdenkmal, das bereits im August 1945 eingeweiht wurde. „In Wien war es damals als „Erbsendenkmal“ bekannt“, erzählt Barbara Dmytrasz, „denn am 1. Mai hatte die Rote Armee 1.000 Tonnen Erbsen an die hungernde Wiener Bevölkerung gespendet.“

Bis 1956 hieß der heutige Schwarzenbergplatz übrigens „Stalin-Platz“, und das Denkmal steht genau vor dem Palais und Hotel Schwarzenberg. Immer wieder gab es Initiativen der fürstlichen Familie, das Denkmal zu entfernen, doch das ist laut Staatsvertragsklausel nicht möglich. „So bleibt das Denkmal auch jetzt, während Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, als Siegesdenkmal für die Rote Armee stehen. Und wirkt damit ein wenig aus der Zeit gefallen“, sagt Dr. Dmytrasz. Den Hochstrahlbrunnen vor dem Denkmal, hat übrigens Kaiser Franz Josef am 24. Oktober 1873 in Betrieb genommen und somit die 1. Wiener Hochquellenwasserleitung eröffnet. Bunt beleuchtet wird der Brunnen seit 1906 – seit Bürgermeister Karl Lueger!

Text und Fotos: Christian Stöger


Lueger-Denkmal
Lueger Denkmal
Lueger-InstallationRussisches SiegesdenkmalSiegesdenkmal