Weitere palästinensische Journalisten ermordet

Weitere palästinensische Journalisten ermordet

2024 war das tödlichste Jahr für Journalisten in der Geschichte. Laut dem Bericht des Committee to Protect Journalists (CPJ) starb der überwiegende Teil von ihnen im Nahen Osten: Gaza, Westbank, Libanon. Mittlerweile wurde in den vergangenen 22 Monaten in Gaza mehr Medienschaffende ermordet als im Zweiten Weltkrieg, Korea- und Vietnamkrieg zusammengenommen. Am Sonntag beschoss die israelische Armee gezielt, wie sie in einer Erklärung bekannt gab, ein Zelt mit Journalisten – sechs starben: zwei Korrespondenten, drei Kameramänner und ein Fotograf.

242 getötete Medienarbeiter zählen die Vereinigten Nationen bis zum 12. August, 270 tote Journalisten weisen verschiedene Medien aus. Wie die Gesamtzahl der Opfer in Gaza, ist auch die genaue Zahl der getöteten Journalisten schwer zu beziffern, aber klar ist: Noch nie war es so gefährlich aus einer Kriegsregion zu berichten, wie seit dem 7. Oktober aus dem Gazastreifen.

Am Sonntag wurde ein Zelt neben einem Krankenhaus von Israel gezielt beschossen. In dem als Pressezelt gekennzeichneten Bereich befand sich zu dem Zeitpunkt ein Korrespondententeam von Al-Jazeera (AJ). Die israelische Regierung gab noch in der Nacht zu, bei einem Luftangriff auf ein Zelt vor dem Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza fünf Journalisten und Medienmitarbeiter von Al-Jazeera getötet zu haben. Am Montagmorgen erlag ein weiterer Fotograf seinen Verletzungen, die er beim Angriff erlitten hatte.

Insgesamt wurden sechs Menschen getötet, darunter die Kameraleute Ibrahim Zaher und Moamen Aliwa, ihr Assistent Mohammed Noufal sowie die Korrespondenten Mohammed Qreiqeh und Anas al-Sharif. Auch der freiberufliche Fotojournalist Mohammed Al-Khaldi kam bei demselben Luftangriff ums Leben.

Al-Sharif war ein bekannter Frontreporter, der wegen seiner Berichterstattung über den Krieg und die Hungersnot des palästinensischen Volkes mehrfach von Israel bedroht worden war. Die britische National Union of Journalists (NUJ) schrieb am Montag: Erneut behauptete das israelische Militär, ohne Beweise vorzulegen, al-Sharif sei ein Terrorist– äußerte sich jedoch nicht zu den fünf anderen getöteten Medienmitarbeitern.

Al-Jazeera wies die Vorwürfe zurück und bezeichnete sie als „gezielten Mordanschlag […] in einem weiteren eklatanten und vorsätzlichen Angriff auf die Pressefreiheit“ und als „verzweifelten Versuch, die Stimmen zum Schweigen zu bringen, die die bevorstehende Einnahme und Besetzung Gazas anprangern“. In den letzten 22 Monaten wurde das Kernteam von Al Jazeera in Gaza ausgelöscht, zahlreiche Journalisten wurden von israelischen Streitkräften verletzt oder getötet, die auch das AJ-Büro im besetzten Westjordanland durchsuchten und schlossen.

Vergangene Woche schloss sich die NUJ der Internationalen Journalistenföderation (IFJ) und dem Palästinensischen Journalistenverband an und verurteilte die Verleumdungskampagne gegen palästinensische Journalisten. Laut IFJ wurden seit dem 7. Oktober 2023 mindestens 196 Journalisten und Medienschaffende – darunter 181 Palästinenser – getötet, was diesen Krieg zum tödlichsten für unsere Branche in der jüngeren Geschichte macht.

NUJ-Generalsekretärin Laura Davison sagte am Montag: „Dies ist ein schrecklicher Angriff. Journalisten haben nach internationalem Recht besonderen Schutz, und erneut wurden diese Rechte verletzt, während andere Zivilisten als Kollateralschaden getötet wurden.Israel habe internationalenReportern den Zugang nach Gaza verweigert und gleichzeitig lokale Journalisten systematisch diskreditiert, ins Visier genommen und getötet, so Davison: Dies sind die Aktivitäten einer Regierung, die nicht will, dass die Welt Zeuge ihrer Handlungen wird.

Ähnlich äußerte sich IFJ-Generalsekretär Anthony Bellanger: Das gezielte Töten von Journalisten ist ein Kriegsverbrechen, und die israelische Führung muss für ihre abscheulichen Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Wir verurteilen diese vorsätzliche Tötung unserer Kollegen aufs Schärfste und stehen solidarisch an der Seite aller Mitarbeiter von Al Jazeera und unserer Kollegen, die unter diesen inakzeptablen Umständen in Gaza arbeiten.“

Israel beschuldigt Journalisten seit langem und nachweislich des Terrors, ohne dafür glaubwürdige Beweise vorzulegen, schrieb CPJ in New York am Montag: „Israel ermordet diejenigen, die Informationen überbringen“, sagte CPJ-Regionaldirektorin Sara Qudah. „Israel hat ein ganzes Nachrichtenteam ausgelöscht. (…) Das ist Mord. Schlicht und ergreifend.“

Es sei kein Zufall, dass die Verleumdungen gegen al-Sharifjedes Mal wieder auftauchten, wenn er über wichtige Entwicklungen im Krieg berichtete, zuletzt über die Hungersnot, die durch Israels Weigerung, ausreichende Hilfsgüter in das Gebiet zu lassen, verursacht wurde“, soQudah.

Auch die EU verurteilte die Ermordung der Medienarbeiter: „Die EU verurteilt die Tötung von fünf Al-Jazeera-Journalisten bei einem israelischen Militärluftangriff vor dem Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt, darunter auch Korrespondent Anas al-Sharif“, so die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas, am Montag, nachdem die EU-Außenminister ein Onlinetreffen über den anhaltenden Krieg in Gaza geführt hatten.

Mit der Tötung von sechs Journalisten am Sonntag, den 10.8.2025, wurden seit Beginn des Kriegs am 7. Oktober 2023 laut CPJ-Daten 192 Journalisten getötet: Mindestens 184 dieser Journalisten waren Palästinenser, die von Israel getötet wurden, so CPJ.

Mit dem Angriff vom 10. August erhöht sich die Zahl der während des Krieges von Israel in Gaza getöteten festangestellten AJ-Journalisten laut CPJ-Daten auf elf, zusätzlich zu den sechs Journalisten, die freiberuflich für AJ tätig waren.

Der ÖJC schließt sich den internationalen Verurteilungen der Angriffe und Tötungen von Journalisten, sowie den Verhaftungen von Medienarbeitern und Durchsuchungen von Korrespondentenbüros an: Die gezielte Tötung von Journalisten ist ein Kriegsverbrechen und untergräbt das Fundament der Pressefreiheit“, so der ÖJC am Dienstag.

Die Arbeit von Reportern, wie Anas al-Sharif und seinen Kollegen, sei für eine informierte Öffentlichkeit unerlässlich: Solche Vorfälle verdeutlichen die große Verantwortung, die Medien in der Berichterstattung tragen – besonders in Kriegszeiten“, erklärte der ÖJC. (dr/sm/nuj)

Text: Dieter Reinisch / Foto © Hosny Salah, Gaza